Hauptstadt der DDR, gefalzt und geklebt

Jirka Grahl

Neues Deutschland, 10.9.05

Achtung, ihr Ewiggestrigen, hergehört: Wer schon nicht zur heimlichen Republiksfeier am 7. Oktober in die einstige Hauptstadt der DDR kommen kann, soll wenigstens die Plastesoldaten marschieren lassen: über die Stalinallee – pardon, KarlMarx-Allee – und diese wird daheim imHobbykeller errichtet.

Gebastelt wird die sozialistische Prachtmeile aus Pappe – mit den Bausätzen der Edition »Faltplatte«. Auch Fernsehturm, Haus des Lehrers, Palast der Republik oder WBS 70/11 – so manche architektonische Tat vergangener Dekaden gibt es beim Berliner Architekten Cord Woywodt (Foto: Jirka Grahl) als Kartonmodellbogen zu bestellen (www.faltplatte. de).

Zwei, drei Stunden Kleben und Falzen – bitte mit der gebotenen Akkuratesse – fertig sind die Modelle der real existierenden Architekturdenkmäler im Maßstab 1:800. Ganz neu im

Programm seit dieser Woche: das Modell des [ Café Moskau (3,90 Eu- P ro), das nun so wunderbar mit den Bastelbögen Stalinallee (7,90 Euro) und Haus des Lehrers (4,90 Euro) kombiniert werden kann. Das Papp-Moskau glänzt mit Details: »Sogar das Sputnikmodell, das die sowjetische Botschaft damals dem Restaurant vermachte, ist an unserem Modell der Gaststätte Moskau zu erkennen«, sagt Faltplatte-Macher Cord Woywodt, und er sagt es mit dem Stolz, den bei der Eröffnung 1964 die Diplomaten des Bruderlandes wegen ihres großen Vorsprungs im Weltall zur Schau getragen haben müssen.

Da will man kaum glauben, dass Woywodt eigentlich aus dem NSW stammt, nämlich in Celle geboren wurde, und aus ganz pragmatischen Gründen die DDR-Architektur und damit auch WBS 70 und WHHGT 18/21 zu Pappmodellen machte: »Es gibt 900 000 Wohneinheiten in der >Platte<, sie wird einfach nicht gebührend berücksichtigt.« Seine Maßstabsveränderung soll da neue Perspektiven bieten. Wenn sich das zudem noch gut verkauft – auch gut. Kapitalist bleibt ebn Kapitalist. Die Bastelbögen sind mittlerweile zu Zehntausenden aufgelegt und gehen für harte Devisen sogar in den Export: Auch in Museumsshops in Japan und Australien gibt“s Papp-Palast oder Karton-Fernsehturm zu erstehen. Ein später Sieg der DDR-Architektur.