Der Palast der Republik als Bückware
Suedeutsche Zeitung, Donnerstag, 1. Februar2007•Nr. 26•SeiteV2/5
Souvenirs, Souveniers
Was hast du mir denn mitgebracht?
Eine Reise geht so schnell zu Ende.
Und die Erinnerungen verblassen auch
immer sofort. Also bringen wir jetzt öfter
mal was mit und stellen unsere Fundstü-
cke in lockerer Folge vor.
Der Palast der Republik als Bückware
„Wo stand denn eigentlich die Mau-
er?“ Das ist wahrscheinlich die meistge-
stellte Frage von Berlin-Touristen an
den Fremdenführer. Zwei klägliche Res-
te, an der Bernauer Straße und an der
Eastside Gallery, sind alles, was davon
noch zu sehen ist. Demnächst werden
Touristen die Stadtführer mit einer neu-
en Frage nerven: „Wo stand denn eigent-
lich der Palast der Republik?“ Bagger
sind gerade dabei, ihn „,rückzubauen“,
wie es im Amtsdeutsch heißt. Dabei hat-
te es der Palast durchaus verdient, unter
Denkmalschutz gestellt zu werden, als
eines der zentralen Gebäude, die deut-
sche Geschicke und deutsche Geschich-
te mitbestimmten.
Die Mauer wurde – auch das hat sich
bis zu Touristen aus Neuseeland herum-
gesprochen – von Souvenirhandlern
höchst gewinnbringend verwertet. In ih-
ren Hinterhoflagern horten sie die meter-
hohen Betonfertigteile, um sie in mühe-
voller Kleinarbeit in winzige Stückchen
zu hacken, die komischerweise immer
an einer Seite eine höchst akkurate Graf-
fiti-Beschichtung aufweisen … Vom Pa-
last der Republik wird es keine derarti-
gen Reliquien geben. Das gesamte Inven-
tar, darunter Tonnen von Porzellan-Ge-
schirr, wurde sowieso längst über den
Altwarenhandel abgewickelt.
Ein echter Mitte-Berliner dagegen,
ein gewisser Herr Woywodt, hatte eine
viel nachhaltigere Idee: Aus Pappe, dem
in der DDR beliebten Rohmaterial zum
Autobau, entwickelte der Designer ein
schönes Andenken zum Selberbasteln.
Für fünf Euro und 90 Cent gibt es von
seiner Firma ,,Faltplatte“, die auch Mo-
delle von Plattenbauten ähnlicher Mach-
art vertreibt, einen Bastelbogen für ei-
nen Mini-Palast im Maßstab 1:800. Am
Modell wird vielleicht noch klarer als
beim Anblick des vor sich hin rottenden
Kolosses, welches architektonische
Kleinod die Berliner Stadtoberen der
Abrissbirne freigegeben haben. Ein biss-
chen kapitalistischer Sekundenkleber
und feine Finger sind allerdings für das
Zusammenfriemeln der kleinteiligen
Bauteile nötig, denn die Klebe-Falze
sind knapp bemessen. In der DDR wäre
der Bogen übrigens wahrscheinlich un-
ter dem Begriff ,,Bückware“ gehandelt
worden, denn ein bisschen stöbern muss
man schon, um das Produkt zu finden.
Der gemeine Mauersteinverkäufer führt
es (noch) nicht.