Was machen wir heute?
Tagesspiegel 16.3.05
Fernsehturm falten
Wie eine Ost-Berlinerin die Stadt erleben kann
Vor ein paar Wochen brach meine beste Freundin nach Neuseeland auf. Sie ist eine reiselustige Person und die Frage, die sie mir am Tag vor dem Abflug stellte, kannte ich schon: Hast du eine Idee für ein Gastgeschenk?
Meine Freundin fragt mich das oft. In aller Welt hat sie Verwandtschaft. Ständig fliegt sie irgendwohin, und ihre Freundinnen beraten sie in Mitbringselfragen. Was brauchen deutsche Auswanderer in Chile? Wie beschenkt man eine ägyptische Großfamilie, in der man mindestens 50 enge Verwandte hat? Worüber freuen sich wohlhabende Neuseeländer?
Vielleicht erscheinen diese Fragen dem ein oder anderen irrelevant. Aber ich kann versichern, dass jemand, der allein in Ägypten 30 Cousins und Cousinen hat, auch sonst jede Menge Leute kennt. So passiert es häufiger, dass attraktive junge Männer unsere Freundin besuchen (manchmal sind es auch deren Mütter) und wir ihnen Berlin zeigen. Das Schöne daran ist: Man wird selbst an die exotischsten Plätze der Welt eingeladen. Der Nachteil ist: Man braucht ein Gastgeschenk – auch wenn man gar nicht zur Verwandtschaft gehört.
Ich spare mir die Aufzählung aller misslungenen Mitbringsel der letzten Jahre. Ich verrate nur, dass wir jetzt etwas Perfektes gefunden haben. Es ist leicht zu transportieren, erfreut Kinder wie Erwachsene, ehemalige Berliner wie Ureinwohner anderer Kontinente. Es ist spannend, was zum Basteln und befindet sich nicht in einer Schokoladenhülle: Faltbögen, mit denen man Berlin aus Pappe bauen kann.
Palast der Republik, Haus des Lehrers und Stalinallee gibt es schon länger zum Falten und Kleben. Neu ist der Fernsehturm mit zackigen Faltdachbauten an seinem Fuß. Aufgebaut und heiß geliebt steht er schon in einer WG in Uruguay und bei Freunden in Washington. Für Neuseeland kam er leider zu spät auf den Markt. Die Ägypter wünschen sich neuerdings Slim-Fast-Produkte und Feinstrumpfhosen; die sind zwar auch schön leicht, können aber schwerste Dankbarkeit zur Folge haben: Als Gegengeschenk gaben mir die Ägypter einen Teppichläufer mit.